Nahost

Von den USA unterstützte Kämpfer bekämpfen sich gegenseitig in Syrien. Wer ist daran schuld?

Die US-amerikanischen Streitkräfte, die weite Teile Syriens und seiner Reichtümer als Geiseln halten, werden niemals zugeben, dass sie selbst die Ursache ihrer eigenen Probleme dort sind.
Von den USA unterstützte Kämpfer bekämpfen sich gegenseitig in Syrien. Wer ist daran schuld?Quelle: AFP © DELIL SOULEIMAN

Von Robert Inlakesh

Von den USA unterstützte rivalisierende Kämpfer im Nordosten Syriens attackierten sich gegenseitig in einem Konflikt, der ursprünglich durch ethnische Spannungen ausgelöst wurde. Als sich die Situation jedoch zuspitzte, versuchte man, Russland, Iran und der syrischen Regierung die Schuld zuzuschieben, obwohl dort die mit den USA verbündeten Streitkräfte jahrelang Missmanagement und Missbrauch betrieben haben. Während die gegnerischen und durch die USA unterstützten Kämpfer um die Kontrolle ringen und sich arabische Stämme dagegen behaupten, versucht man in Washington, die Krise als Rechtfertigung für die fortgesetzte US-Besetzung des Gebiets zu nutzen.

Mindestens 90 Menschen wurden bei Zusammenstößen zwischen den kurdisch geführten sogenannten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) und lokalen arabischen Milizen getötet, nachdem in der vergangenen Woche Stammesführer in der Region festgenommen worden waren. Der Konflikt hatte sich an dem vermeintlichen Versuch der durch die USA unterstützten SDF entzündet, die von ethnischen Kurden angestrebte Vorherrschaft in der Provinz Deir ez-Zor zu behaupten. Die SDF, die von Kurden angeführt werden, haben auch eine große Anzahl von Arabern in ihren Reihen, unter anderem in der mehrheitlich arabischen Miliz des Militärrats von Deir ez-Zor, die von dem Kommandeur Ahmed al-Khabil (Abu Khawla) angeführt wird. Al-Khabil ist nicht nur Kommandeur der Miliz, sondern auch Emir des Stammes der al-Bakir. Seine Verhaftung Ende August war der Auslöser für den aktuellen Konflikt.

Tagelang beschränkten sich die Kämpfe auf das Gebiet von Deir ez-Zor, wo Clanmitglieder des Bakir-Stammes als Vergeltung für die Verhaftung von Abu Khawla zu den Waffen gegen die kurdisch geführten SDF gegriffen hatten. Nachdem jedoch Vorwürfe aufgetaucht waren, dass von den USA ausgebildete SDF-Kämpfer arabische Zivilisten bei Razzien in ihren Häusern ermordet hatten, begann sich der Aufstand auszuweiten. Aus dem Dorf Daman, in das kurdische Spezialeinheiten eingedrungen waren und das sie belagerten, wurde berichtet, dass kurdische Kämpfer vier Familienmitglieder in deren Haus zu Tode gefoltert hatten, um Vergeltung für die Ermordung mehrerer ihrer Landsleute zu üben. Geschichten wie diese, die in den sozialen Medien verbreitet wurden, trugen zu einem allgemeinen arabischen Aufstand im Gebiet des Euphrat gegen die Herrschaft der SDF bei.

Man muss sich vor Augen halten, dass die SDF im Wesentlichen als Stellvertreter des US-Militärs fungieren und mit einer begrenzten Anzahl US-amerikanischer Bodentruppen etwa ein Drittel des syrischen Territoriums besetzen. Nach Angaben der US-Regierung seien lediglich 900 US-Soldaten in Syrien stationiert, hinzu kommt jedoch eine nicht näher bezifferte Zahl privater militärischer Auftragnehmer. Dieses Drittel Syriens gilt als Kornkammer des Landes und beherbergt zudem den größten Teil des Ölreichtums und die fruchtbarsten landwirtschaftlichen Flächen. Die stellvertretende US-Verteidigungsministerin für den Nahen Osten, Dana Stroul, gibt offen zu, dass die Geiselnahme dieses Drittels des syrischen Territoriums gegen den souveränen Anspruch der Regierung in Damaskus dazu dient, dem Weißen Haus weiterhin Einfluss auf den syrischen Staat zu sichern.

Anstatt sich mit den wirklichen Problemen in dem Gebiet auseinanderzusetzen, das Aron Lund von der Denkfabrik Century International als "Pulverfass" bezeichnete, haben die US-Regierung und die etablierten Medien den fortdauernden Konflikt mit stark vereinfachten Behauptungen dargestellt. Die von den USA unterstützten SDF behaupteten sofort, die syrische Regierung sei an der Unterstützung des Aufstands beteiligt und versuchte, den Konflikt als von außen beeinflusst darzustellen. Der Grund für diese Behauptung ist, dass die SDF ihr Image schützen wollen als angeblich demokratisch regierende Kräfte, bestehend aus fortschrittlichen, ausschließlich weiblichen Einheiten, und gleichzeitig versuchen wollen, in dem Konflikt die USA direkter auf ihre eigene Seite zu ziehen. In der Vergangenheit haben die USA zwar mit den SDF gegen die Terroristen des Islamischen Staates (IS, früher ISIS) zusammengearbeitet, doch als die kurdisch geführten Kräfte angegriffen wurden, hat Washington seine Stellvertreter wiederholt im Stich gelassen. Dies geschah etwa auch 2018 und 2019, als die türkische Armee in das von den SDF gehaltene Gebiet eindrang.

Obwohl die SDF keine rein kurdische Truppe sind, werden sie eindeutig von Kurden dominiert. Dies allein hätte nie ausgereicht, um einen Aufstand der arabischen Stämme zu entfachen, die mehrheitlich freundschaftliche Beziehungen zu den herrschenden Kräften unterhalten, von den USA gestützt werden. In Wirklichkeit haben sich die SDF im Nordosten Syriens auf korrupte Weise verhalten, die Wirtschaft schlecht verwaltet, selbst Menschenrechtsverletzungen begangen und sogar Kindersoldaten in ihre Streitkräfte zwangsrekrutiert. Es gibt zahllose Behauptungen über die Art der von den SDF begangenen Übergriffe, einschließlich ethnisch motivierter Angriffe. Viele dieser Behauptungen können nicht bestätigt werden, aber wichtig an diesen Behauptungen ist, dass sie nun zu einem Klima der Verachtung gegenüber dieser US-Stellvertretertruppe beitragen.

Nach dem anfänglichen Aufstand der arabischen Stämme in Gebieten entlang des Euphrat kam es zu einer Welle von Zusammenstößen mit von der Türkei unterstützten Kämpfern und sogar mit Kämpfern, die von der Terrorgruppe Hai'at Tahrir asch-Scham (HTS) unterstützt werden, einem Al-Qaida-Ableger, der den größten Teil der Provinz Idlib kontrolliert. Es hat den Anschein, als hätten sowohl die HTS als auch die Türkei versucht, die Situation auszunutzen, entweder um ein Druckmittel gegen die SDF zu haben oder um die Kontrolle über einen noch größeren Teil des syrischen Territoriums zu erlangen. Während die Türkei die SDF als terroristische Gruppe betrachtet, hatte die HTS Anfang des Jahres gemeinsame Gespräche mit den SDF über die Schaffung einer gemeinsamen Regierungsbehörde aufgenommen.

Währenddessen bereiteten sich die USA darauf vor, als Vermittler zwischen den gegnerischen Seiten einzugreifen, um die Spannungen zu beruhigen, und warnten davor, dass die Ausweitung des Konflikts zu einem Wiedererstarken des IS innerhalb des Gebiets führen könne. Interessant ist, dass die pseudolegale Rechtfertigung der USA für die fortgesetzte militärische Besetzung des syrischen Territoriums in Form der Operation Inherent Resolve (OIR) erfolgte, die durch die Resolutionen von 1991 und 2002 zur (Selbst-)Ermächtigung der USA des Einsatzes militärischer Gewalt gegen Irak (Authorizations for Use of Military Force Against Iraq; AUMF) gerechtfertigt werden soll. Die OIR zielt angeblich auf den IS (oder ISIS) ab, aber in diesem Jahr wurde vom Kommandeur der Combined Joint Task Force (CJTF) Generalmajor Matthew McFarlane bekannt gegeben, dass im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Jahres 2022 die Angriffe des IS in Syrien um 68 Prozent und im Irak um 80 Prozent zurückgegangen sind. 

Die US-amerikanischen Streitkräfte bleiben also in Syrien, um angeblich dennoch die Anti-IS-Operationen fortzusetzen, obwohl die Terrorgruppe derzeit kaum noch existiert. In Wirklichkeit wird die OIR also auf unbestimmte Zeit fortgesetzt, um dem wichtigsten Ziel der USA zu dienen: den iranischen und russischen Einfluss in Syrien zu bekämpfen. Die Regierung in Damaskus soll um jeden Preis unterminiert werden, lautet die US-Denkweise. Eine Vielzahl von Kämpfern, die von den USA unterstützt werden, liefern sich blutige Kämpfe wegen der miserablen Umstände, die unter der Aufsicht Washingtons nicht behoben wurden. Anstatt jedoch die Verantwortung dafür zu übernehmen, versucht man in Washington, die Schuld auf Damaskus, Teheran und Moskau abzuwälzen, während man gleichzeitig daran arbeitet, die fortgesetzte Besetzung syrischer Territorien zu rechtfertigen.

Übersetzt aus dem Englischen

Robert Inlakesh ist ein politischer Analyst, Journalist und Dokumentarfilmer, der derzeit in London, Großbritannien, lebt. Er hat aus den palästinensischen Gebieten berichtet und dort gelebt und arbeitet derzeit für Quds News. Regisseur von "Diebstahl des Jahrhunderts: Trumps Palästina-Israel-Katastrophe".

Mehr zum Thema - Syrien: Westen instrumentalisiert Völkerrecht

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.