Lateinamerika

Studie: Fast 45 Prozent der Argentinier leben in Armut

Die wirtschaftliche Situation in Argentinien ist alarmierend. Laut einer Studie leben in dem südamerikanischen Land etwa 17,5 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze. Das sind fast 45 Prozent der Bevölkerung. Der gewählte Präsident Javier Milei setzt auf eine "Schocktherapie".
Studie: Fast 45 Prozent der Argentinier leben in ArmutQuelle: AP © Rodrigo Abd

Die Beobachtungsstelle für Soziale Schulden an der Argentinischen Katholischen Universität (ODSA-UCA) veröffentlicht regelmäßig Erhebungen mit verschiedenen Kennwerten, die die sozioökonomische Situation in der südamerikanischen Nation veranschaulichen. Die jüngste Studie der Denkfabrik, die dem dritten Quartal des laufenden Jahres gewidmet ist, zeichnet ein alarmierendes Bild. Demnach beträgt die Armutsrate 44,7 Prozent der Bevölkerung. Die letzte Studie, die im September veröffentlicht wurde, zeigte einen Wert von 38,9 Prozent. Unter Kindern und Jugendlichen ist die Armutsrate aktuell mit 62,9 Prozent noch größer.

Dies bedeutet explizit, dass ungefähr 17,5 Millionen Argentinier mit niedrigen Einkommen und prekären Lebensbedingungen konfrontiert werden. Damit geht der Mangel an Bildung, Gesundheitsversorgung und Ernährungssicherheit einher. Laut dem Bericht mit dem Titel "Chronische soziale Schulden und wachsende Ungleichheiten. Herausforderungen für die öffentliche Agenda (2004–2023)" leiden 9,6 Prozent der Bevölkerung sogar unter der extremen Armut. Das heißt, sie können nicht einmal ihren Grundbedarf an Essen befriedigen.

Dramatische Inflation

Neben der Armutsrate werden in der ODSA-UCA-Studie auch andere Kennwerte unter die Lupe genommen. So befindet sich die Beschäftigungsqualität auf dem tiefsten Stand seit dem Beginn der Erhebungen im Jahr 2004. Demnach haben 33,1 Prozent der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung ab 18 Jahren keinen Job. 24,3 Prozent haben eine instabile Unterbeschäftigung. Agustín Salvia, Direktor der Denkfabrik, wird in diesem Zusammenhang mit den Worten zitiert:

"Die Auswirkungen der Inflation, zu denen die wirtschaftliche Stagnation und die informelle Beschäftigung hinzukommen, führen dazu, dass das Armutsniveau in Argentinien steigt. Alle Kennzahlen zeigen, dass sich dieser Zuwachs an Armen oder neuen Armen auch im kommenden Jahr fortsetzen wird."

Für das Jahr 2024 prognostiziert Salvia einen Anstieg der Armutsrate von drei bis vier Prozentpunkten. Mit Blick auf die Regierung des gewählten Präsidenten Javier Milei, der bereits am Sonntag das Amt antreten wird, warnt der Forscher davor, soziale Programme zu streichen. Dies wäre äußerst gefährlich, da diese Staatshilfen das soziale Gleichgewicht aufrechterhielten. Laut der Studie wäre die Armutsrate ohne Unterstützungsprogramme auf 49,1 Prozent der Bevölkerung geklettert. Somit wären inzwischen fünf von zehn Argentiniern von der Armut betroffen.

Diese Prognose wird besonders brisant, da Milei als ziemlich marktradikal gilt. Der studierte Ökonom will Argentinien nach eigenen Angaben einer "Schocktherapie" unterziehen und somit aus der tiefen Wirtschaftskrise holen. Dem gewählten Präsidenten zufolge stünden dem Land zwei sehr harte Jahr bevor. Milei setzt auf Privatisierung, den Abbau staatlicher Institutionen, Entbürokratisierung und eine mittelfristige Einführung des US-Dollar als Landeswährung. Darüber hinaus will der Politiker soziale Ausgaben abrupt kürzen.

Immer mehr arbeitende Arme

Der Bericht stellt auch eine sinkende Kaufkraft unter den Beschäftigten fest. Die Erhebung umfasst die Regierungszeiten von Mauricio Macri (2015 – 2019) und Alberto Fernández (2019 – 2023). Im Zeitraum von 2017 bis 2023 ist demnach die Vergütung dramatisch gefallen. Infolge der Inflation und der Rezession ist die Kaufkraft um 32,1 Prozent gesunken. Die Forscher sprechen daher von einer neuen Erscheinung: den arbeitenden Armen. Stand 2023 haben demnach 33,1 Prozent der Beschäftigten ein Einkommen unterhalb der individuellen Armutsgrenze, während 32,5 Prozent der Beschäftigten im armen Milieu leben.

Zuvor hatte auch das Nationale Institut für Statistiken und Erhebungen in Buenos Aires (INDEC) einen alarmierenden Bericht präsentiert. Demnach erreichte die Armutsrate in den ersten sechs Monaten dieses Jahres einen Kennwert von 40,1 Prozent der Bevölkerung gegenüber 36,5 Prozent im Vorjahreszeitraum. Unter den Minderjährigen unter 15 Jahren waren davon 56,2 Prozent betroffen.

Eine falsche Erhebungsmethode?

Am 3. Dezember zog der scheidende Präsident Fernández die INDEC-Statistiken in Zweifel. In einem Interview für die Nachrichtenagentur Noticias Argentinas (NAsagte der 64-jährige Politiker, dass Argentinien längst explodiert wäre, wenn die Armutsstatistiken korrekt wären.

"Ich glaube, dass die Armut falsch gemessen wird."

Fernández verwies darauf, dass die Armutsrate mit einer Umfrage von Haushalten erhoben werde. Die Leute sagten dabei wahrscheinlich nicht die Wahrheit – aus Angst, die Staatshilfe zu verlieren.

Nach diesen Worten musste der Präsident viel Kritik über sich ergehen lassen.  Tadel kam vonseiten des INDEC und einiger politischer Parteien. Der Leiter der Union für die Heimat (UxP), Juan Grabois, forderte Fernández auf, sich für die Verschärfung der Armut während seiner Regierung zu entschuldigen.

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